last.fm ist der „Thommys Plattenladen“ des Internet. Oder: Last.fm und das iPhone
Es war nur ein kleines Ladenlokal in der Gütersloher Schulstraße, in dem ich mich Anfang der 90er relativ häufig aufgehalten und gestöbert habe. Es war „Thommys Plattenladen“ und ich musste nach dem Auszug meines Bruders und dem damit verbundenen Verlust seiner ausgiebigen CD- und Plattensammlung damit beginnen, mir meine eigene aufzubauen.
An dem Laden selbst war weiter nichts besonders. Ein Plattenladen halt mit einem erfahren „Thommy“ hinter der Theke und vielen Platten und CDs in Regalen. Sonst nichts. Einzig ein Computer am Eingangsbereich machte den Unterschied zu anderen Läden. In diesem befand sich eine - für damalige Verhältnisse - umfassende Datenbank erhältlicher Tonträger, so dass man beim Stöbern in der Auslage schnell von Höckschen auf Stöckchen kommen konnte und direkt am Terminal recherchieren durfte.
Welch eine Freude, wenn man auf der Suche nach neuer Musik war.
Der Thommy von heute heißt Last.fm
Heute haben wir das Internet und alles ist anders. Nicht nur, dass „Thommys Plattenladen“ fort ist (was hoffentlich keinen kausalen Zusammenhang mit dem Internet hat), mehr noch ist es gar nicht mehr nötig, sich in Plattenläden aufzuhalten und sich dort mit anderen oder dem Verkäufer auszutauschen.
Heute haben wir Last.fm. Last.fm ist das musikalische Gedächtnis der ganzen (Internet)-Welt und funktioniert prinzipiell nach dem Grundsatz: Wenn dir das gefällt, gefällt dir das auch, weil dem das auch gefällt, dem das gefällt. Und das in unendlicher Potenzierung!
Die Mechanik, die das Ganze am Leben hält, nennt sich „scrobbeln“: Eine Software ermittelt - z.B. mittels iTunes, welche Musik man hört – sendet diese Informationen an Last.fm und gleicht das mit anderen ab, die das gleiche gehört haben und ermittelt daraus wiederum Empfehlungen.
Der Knaller wird das aber erst mit dem iPhone!
Denn einmal gejailbreaked installiert man auf seinem iPhone über den Installer den MobileScrobbler und schon werden alle Lieder die man unterwegs hört, schön mitgescrobbelt. Dank EDGE-Flatrate immer und überall. Außer vielleicht in Atombunkern. Aber da ist's auch egal.
So entgeht Last.fm kein einziger Song und das persönliche, musikalische Gedächtnis ist lückenlos. Ein nettes Begleitfeature: Der MobileScrobbler zeigt einem auch gleich noch die Lyrics zum Song an. So kann man in der Stadtbahn direkt mitsingen! Super!
Und was hat man vom „scrobbeln”
Last.fm weiß, was man gerne hört und kann einem vorspielen, was man gerne hört, aber vielleicht noch gar nicht kennt!
Alles was man dazu tun muss, ist sein eigenes Last.fm-Radio zu starten und schon läuft Lied um Lied Musik, die einem nahezu garantiert gefällt und die man mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie gehört hat.
Weil das ganze gestreamed ohne Download läuft, ist das rechtlich okay und mittels direkter Verquickung mit diversen Online-Shops wie dem iTunes-Store kann man dann auch direkt kaufen. Ohne nach Gütersloh fahren zu müssen. Prima.
Natürlich klappt das mit dem Radio auch über das iPhone. Selbstverständlich aber nur über WLAN und nicht über EDGE. Das wäre dann auch zuviel verlangt.
Das ist nur eines von vielen - wenn auch das augenfällig beeindruckendste - Feature von Last.fm.
Parallel bildete sich auf Last.fm zusätlich durch den Umstand, dass hier Personen in einem geschlossenen sozialen Netzwerk interagieren mit der Zeit natürlich eine Gemeinschaft, wie es sich der kühnste Web2.0-Pionier nicht besser hätte ausdenken können. Das ist kollektive Intelligenz par excellence. Das ist soziales Netwerken wie es Sinn macht.
So entstehen beispielsweise u. a. „musikalische Nachbarn“, die über einen ähnlichen Musikgeschmack verfügen. Mit denen kann man dann kommunizieren und quatschen, sich auf ein Spaghetti-Eis treffen, knutschen, bumsenkuscheln und dabei garantiert Musik hören, die beiden gefällt. Das ist doch super!
Und das so ein Konzept wesentlich effektiver ist, als diese seltsame „Freund”-Mechanik, die sich über MySpace bis StudiVZ und XING durchgesetzt hat, merkt man daran, dass meine bisherigen vier Last.fm-Freunde im echten Leben zwar dufte Kerle sind. Aber Last.fm sagt, dass sie einen ganz, ganz anderen Musik-Geschmack als ich haben. Und ich brauche in einem sozialen Netzwerk keine Freunde, sondern Mitstreiter.
Vielleicht wird das doch noch eine gute Welt! Auch ohne „Thommys Plattenladen“. (Nebenbei: Weiß einer, was aus dem geworden ist?)
Jetzt du!
Also. Anmelden. Vielleicht sind war ja dann bald Nachbarn.
Ich bin der markusfreise.
Für alle Medienwandler:
Im übrigen gibt es bei last.fm auch unzählige Songs gratis. Nur mal so. Applaus, bitte.
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@_ben: Wie das?
Mit der aktuellsten Version von Last.fm, die ich just gestern installiert habe, kann ich sogar die Tracks von meinem Ipod Touch scrobbeln, ohne ihn gejailbreak zu haben.
Thommys Plattenladen... Da werden Erinnerungen wach. Der erste Händler, der mich mit passenden Tipps zulaberte, sobald ich zur Tür reinkam. Scheiß auf Nostalgie, aber sowas gibt es heutzutage nicht mehr.
last.fm geht auch ganz ohne technik-schnickschack.
Einfach laufen lassen und in die URL am Ende die Musikrichtung der Wahl tippen ... von Glamrock bis harp alles dabei und ES GEFÄLLT!
Gemini kenne ich nur als Buchladen. Da habe ich mal als Schülerin ein Vorlesungsverzeichnis mitgehen lassen, weil ich dachte das liegt da 'für umsonst' aus (so wie heutzutage die Ultimo).
Nein. Aber GEMINI. Da ist jetz dm drin. Da habe ich mal Elton John gekauft und Jimmy Sommerville. Die Welt hat sich weitergedreht. In vielerlei Hinsicht.
Kennst Du noch JPC, als sie am Jahnplatz waren, wo jetzt Magic ist? Dort hörte ich mir nach der Schule auch immer die neusten Vinyl-Scheiben an, die per Kopfhörer für die Kunden "aushingen".
Dies hier ist schamlos und komplett von _ben geklaut. Der findet das aber großartig.